Die schwarze Limousine kam zwei Tage nach der ersten Kontaktaufnahme über einen der Social-Media-Kanäle. Andriej, der im wirklichen Leben ganz anders heißt, aber tatsächlich in Polen arbeitet, hatte das Paket fertig: 5000 Euro, eine Vorauszahlung von seinem polnischen Arbeitgeber. Er ging auf die Limousine zu, wartete anweisungsgemäß, bis die hinteren, dunkel getönten Scheiben einen Spalt heruntergelassen wurden, und schob dann den Umschlag hinein. Die Scheibe schloss sich wieder und der schwere Wagen fuhr davon. „Mist“, dachte Andriej, „ein Haufen Geld ist weg.“ Er fragte sich, ob es die Sache wert gewesen struggle. Aber andererseits: Hatte er eine Wahl?
Wie groß struggle seine Überraschung, als nach drei Tagen, genau wie angekündigt, die Limousine zurückkam. Er ging auf den Verschlag zu, die dunkle Scheibe senkte sich, er nahm den Umschlag entgegen, den der Insasse nach draußen steckte. Niemand sonst struggle auf der Straße. Es sah nicht nach einer Falle aus. Sein Herz klopfte, aber er öffnete den Umschlag nicht auf der Straße, sondern ließ ihn unter der Jacke verschwinden und lief zurück ins Haus. Der Umschlag enthielt eine einwandfreie Freistellungsbescheinigung, mit allen Stempeln und Unterschriften, die notwendig waren. Zwei Tage später struggle Andriej wieder auf seiner Baustelle in Polen statt an der Entrance in Awdijiwka oder Bachmut. Und verdient da harte Devisen, statt sich ein Bein oder Schlimmeres abschießen zu lassen.
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Die Lage in Russland ist nicht besser
Diese kleine Anekdote aus der Westukraine zeigt: Ja, es gibt wahrscheinlich immer noch Ukrainer, die aus Patriotismus und Opfermut an der Entrance kämpfen. Aber darüber, wie dieser Krieg weitergeht, entscheiden nicht sie. Darüber entscheidet die Fähigkeit ihres Staates, sie zum Kämpfen zu zwingen. Und damit steht es nicht allzu intestine, wie die Tatsache beweist, dass Präsident Wolodymyr Selenskyj inzwischen die Cooks aller Rekrutierungsämter wegen Korruptionsverdacht gefeuert und ersetzt hat.
So etwas tut man in Kriegszeiten nicht, weil man gegen jeden einzelnen Beweis hat. So etwas tut man, wenn man zu wenig Soldaten hat. Nach offiziellen Angaben haben bis Sommer dieses Jahres knapp 14.000 wehrpflichtige Ukrainer versucht, das Land unlawful über die grüne Grenze zu verlassen, mehr als 6000 wurden an den offiziellen Grenzübergängen mit gefälschten Dokumenten erwischt. Andriej taucht in dieser Statistik nicht auf, sein Dokument struggle echt, und er verließ sein Land authorized. Und die drei- bis vierstellige Zahl derjeniger, die zwischen 18 und 60 Jahre alt sind, aber von ihren Arbeitsstellen in Polen, Rumänien und Holland nicht zurückgekehrt sind, taucht in keiner Statistik auf.
Es ist nur ein schwacher Trost, dass die Lage in Russland nicht besser ist. Dort werden zunehmend neu Eingebürgerte oder sogar auf ihre Einbürgerung Wartende und Mitglieder ethnischer Minderheiten in die Armee eingezogen. An der Entrance gleichen sie die technologische Unterlegenheit der russischen Armee aus: Kanonenfutter und billige iranische Einweg-Drohnen gegen im Westen geschulte Ukrainer mit Excessive-Tech-Waffen. Das Downside dabei ist nur: Es funktioniert für Russland, aber nicht für die Ukraine.
Die Offensive, die nicht stattfand
Der pensionierte Basic und frühere Nato-Oberkommandierende Ben Hodges beschrieb in zahlreichen Interviews und Talkshows, wie die ukrainische Armee erst mit Hilfe ihrer westlichen Panzer und Artillerie einen Keil in die Besatzungszone am Asowschen Meer treiben, die annektierten Regionen zweiteilen und in eine Place kommen sollte, von der aus sie die Krim beliebig beschießen können würde.
Dann würde Panik ausbrechen auf der Halbinsel, Russland müsste erst die dortigen Stützpunkte räumen und dann aus dem gleichen Grund auch seine Eroberungen am Asowschen Meer. Ein mühsames Abdrängen der Russen im Donbass wäre dann nicht mehr notwendig, die Entrance würde zusammenbrechen, in Moskau gäbe es vielleicht den nächsten Putschversuch, das Schwarze Meer würde von der Ukraine kontrolliert. Ein schöner Plan. Als ich ihn das erste Mal hörte, gefiel er mir.
Das Ganze sollte laut Hodges und derer, die ihn zitierten, „Ende des Sommers geschehen“. Aber ich bin kein Militär, von Waffen und Militärstrategie habe ich keine Ahnung. Dafür kenne ich mich als begeisterter Wanderer mit den Jahreszeiten intestine aus. Jetzt sind wir mitten im Herbst, der Winter kommt bald, und die Ukraine hat ein paar bescheidene Bodengewinne gemacht. Mehr nicht. Statt mit ihren Abrams- und Leopard-II-Panzern wie ein Messer durch die Butter der russischen Entrance zu schneiden, machen die ukrainischen Infanteristen ihre Offensive zu Fuß und in Zeitlupe, um Schritt für Schritt die Minen der Russen zu finden und zu entschärfen.

Ein ukrainischer Soldat geht auf einer Straße in der Nähe des Grenzdorfes Robotyne in der Area Saporischschja.Roman Pilipey/AFP
Um Basic Hodges ist es nonetheless geworden in letzter Zeit
Das soll kein Vorwurf sein, obwohl sicher viele vom Ausbleiben einer dramatischen Kriegswende enttäuscht sind. Wahr ist: Keine der westlichen Wunderwaffen hat bisher der Ukraine die Oberhand verschafft. Wahr ist aber auch: Die modernsten Wunderwaffen wie F16-Kampfflugzeuge, Taurus-Marschflugkörper und ATACMS mit voller Reichweite hat die Ukraine gar nicht erst bekommen. Seien wir ehrlich: Die Ukraine bekam exakt das, was ihr ermöglicht hat, wie Olaf Scholz das ausdrücken würde, „nicht zu verlieren“. Zu gewinnen hat man ihr vorsichtshalber gar nicht erst erlaubt.
Das Land kämpft mit angelegten Fuß- und Handfesseln, wie ein Fechter, der es mit einem Florett gegen einen groben Riesen aufnimmt, der mit einer Streitaxt und einem Morgenstern auf seinen Gegner eindrischt. Und aus geopolitischer Rücksichtnahme darf dieser Kampf nur auf dem Gebiet des Florettfechters stattfinden. So hätte nicht einmal Richard Löwenherz gewinnen können.
Um Basic Hodges ist es nonetheless geworden in letzter Zeit. Aber das ist kein Grund zur Schadenfreude – den Schaden haben nämlich die Ukraine und wir, der sogenannte Westen, der sie unterstützt.
Ohne die Hilfe des Westens gäbe es keine Ukraine mehr
Vor anderthalb Jahren konnten wir uns noch trösten: Wir akzeptierten eine Rezession, den Zusammenbruch unseres Russlandhandels wegen der Sanktionen und einen drastischen Anstieg der Rüstungsausgaben, damit die Ukraine gewinnt. Hat sie erst einmal gewonnen, ist die russische Entrance zusammengebrochen und Putin in Moskau damit beschäftigt, sich vor dem Galgen zu retten, holen wir das Popcorn aus der Speisekammer und führen uns die feierliche Übertragung des Hissens der ukrainischen Flagge in Sewastopol und die Dwell-Übertragung der Prozesse gegen russische Kriegsverbrecher in Den Haag zu Gemüte.
Dann können wir die Zeitenwende abwickeln und unser Geld wieder für Steuersenkungen (FDP), eine Erhöhung des Mindestlohns (SPD) und die Bekämpfung des Klimawandels (Grüne) ausgeben. Die Ukrainer wandern dann alle wieder zurück in ihre Heimat und machen die Containersiedlungen frei für Flüchtlinge aus Afrika und Feministinnen aus Afghanistan und Iran. Für so eine Imaginative and prescient kann man auch mal ein oder zwei Jahre den Gürtel enger schnallen.
Bloß ist es so nicht gekommen. Alles wird so bleiben wie bisher: Die Bundesrepublik wird weiter in gigantischem Ausmaß (wenn auch vielleicht mit Verspätung) Waffen und Munition liefern, die EU wird mit gewaltigen Finanzspritzen dafür sorgen, dass die ukrainische Verwaltung weiterarbeiten kann, obwohl sie kaum noch Steuereinnahmen hat. Zuletzt sollten das, gestreckt auf vier Jahre, 50 Milliarden an Geschenken und Krediten sein, die erst einmal von Ungarn und der Slowakei blockiert wurden.
Aber das alles ist jetzt nicht mehr fällig, damit die Ukraine gewinnt, sondern damit sie nicht verliert, soll heißen: Damit es so etwas wie einen ukrainischen Staat und seine Armee überhaupt noch gibt und die Entrance da bleibt, wo sie ist. Ohne das Geld aus dem Westen kann Präsident Wolodymyr Selenskyj nämlich weder seine Beamten noch seine Soldaten bezahlen, von der Unterstützung für all die Ukrainer, die nicht im Westen arbeiten, sondern in der Zentral- und Westukraine auf humanitäre Unterstützung angewiesen sind, gar nicht erst zu reden. Um zu dem Bild von Richard Löwenherz zurückzukehren: Unser ukrainischer Fechter kämpft nicht nur mit einer Hand. Ohne die Blutkonserven, die er während des Kampfes ständig bekommt, läge er schon längst mausetot auf dem Kampfplatz.

Der russische Präsident Wladimir Putin.Gavriil Grigorov/Pool
Ein ungleicher Krieg
Das scheint auf der anderen Seite der Entrance besser zu funktionieren: Putin hat keine ausländischen Geldgeber, er presst seiner Wirtschaft ständig neue Steuern und Abgaben ab, aber da die keine effektive Interessenvertretung mehr hat, die Zivilgesellschaft enthauptet ist und diejenigen Oligarchen, die nicht aus einem Fenster gefallen sind, brav und folgsam sind, kann sich niemand dagegen wehren.
Die Nationalbank druckt eifrig Geld, die Zinsen steigen, was russische Bürger mit Rücklagen dazu anhält, ihr Geld auf die Financial institution zu bringen, von wo es dann an die Rüstungsindustrie weitergeleitet wird. Russlands sonstige Kriegszüge lohnen sich aber: In der Demokratischen Republik Kongo und der Sahelzone finanziert sich die Unterstützung für die Wagner-Söldner von selbst durch Lizenzen zum Abbau von wertvollen Rohstoffen, die die dortigen Machthaber vergeben.
Im Kaukasus, wo das nicht so einfach ist, hat Moskau gerade eine Artwork geopolitischer Frontbegradigung durchgeführt: Es unterstützt jetzt nicht mehr Armenien gegen Aserbaidschan, sondern umgekehrt. Bei all dem hat Russland uns, dem Westen, gegenüber einen Vorteil: Die Flüchtlingsbewegungen, die dadurch ausgelöst werden, kommen zu uns, nicht nach Moskau oder St. Petersburg.
Würde die Welt von den Theorien Machiavellis beherrscht, würden wir einfach den Ballast Ukraine so abwerfen, wie Russland das mit Armenien und wie Armenien das mit Bergkarabach getan hat. Aber nach einer russischen Besetzung der Ukraine hätten wir dann statt einer Million ukrainischer Flüchtlinge bald vier oder fünf.
Die Migranten, die seit Jahren unbehelligt aus Afghanistan, Syrien, Afrika nach Moskau und Minsk fliegen, beantragen ja nicht dort Asyl, sondern ziehen weiter über die polnische Grenze nach Westeuropa. So abschreckend für Einwanderer werden wir auch nach der Umsetzung von Nancy Faesers „Rückführungsverbesserungsgesetz“ nie werden, dass die Migranten auf der Balkanroute schreiend und haareraufend Schutz in Kaliningrad oder Grodno suchen.
Exitstrategien dringend gesucht
Spätestens seit Afghanistan müssten wir (und längst nicht nur wir in Deutschland) eigentlich wissen: Wenn man in einen Krieg geht, sollte man auch einen Plan haben, wie man da wieder herauskommt. Möglichst ohne solche Szenen wie im April 1975 in Saigon, im Oktober 1993 in Mogadischu oder im August 2021 in Kabul.
Momentan sind wir gleich in mehrere Kriege verwickelt, ohne einen erkennbaren Exitplan. Den umgehen wir ganz simpel, indem wir einfach leugnen, überhaupt Kriegspartei zu sein, nach dem Motto, dass, wer gar nicht drin ist, sich auch nicht darum kümmern muss, wie er wieder rauskommt. Das hat in Afghanistan, wo die Bundeswehr jahrzehntelang angeblich nur Schulen und Brunnen gebaut hat, ja auch prima funktioniert.
Momentan bildet die Bundeswehr auch „nur“ ukrainische Soldaten aus, liefert schwere Waffen und Munition, pumpt Geld in die Ukraine und friert russische Konten ein, aber an einem Krieg nimmt sie angeblich wieder einmal nicht teil. Und auch im Nahen Osten evakuiert sie nur Deutsche, liefert Waffen und Informationen und erklärt die Sicherheit Israels zur Staatsräson.
Davon, dass das jemand ernst nehmen könnte und Bundeswehrsoldaten dann unsere Freiheit nicht mehr am Hindukusch, sondern auf den Golan-Höhen und mit Patriot-Raketenwerfern an der Grenze zum Libanon verteidigen könnten, will momentan (noch) niemand etwas hören.
Ganz ohne wird’s aber kaum gehen, und zwar aus zwei Gründen: Nicht nur, um den Iran und seine Milizen in Israels Umgebung auf Distanz zu halten, sondern auch, um einen Einfluss auf Netanjahus Kriegskabinett zu bekommen, dessen Ultras wahlweise von einer ethnischen Säuberung des Gazastreifens und Annexionen im Westjordanland träumen.
Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die Bewohner des Streifens das tun, was die Flüchtlinge auf der Balkanroute 2015 auch taten, als der Druck auf sie zu groß wurde: Sie stürmen die Grenze, bauen in Ägypten UNHCR-Lager und machen sich von dort auf den Weg nach Europa. Bisher wurden Palästinenser als Staatenlose unter einer speziellen UN-Agentur und ihrem komplizierten Rechtsstatus nur selten in Europa als Flüchtlinge anerkannt.
Für Opfer einer ethnischen Säuberung, die aus einem diktatorisch regierten Drittstaat kommen, dürfte diese Politik dann nur noch schwer aufrechtzuerhalten sein. Im Lichte der bundesdeutschen Debatte über den Krieg im Gazastreifen könnten sie sich sogar darauf berufen, gar nicht von Israel, sondern von der Hamas verfolgt zu werden.
Was zur paradoxen Schlussfolgerung führt, dass Deutschland, wenn es sich nicht stärker im Nahostkonflikt engagiert und mäßigend auf Israels Regierung einwirkt, bald ganz viele radikale arabische Moslems bekommt, die alle ein – vorsichtig ausgedrückt – angespanntes Verhältnis zu Juden und ein eher lockeres Verhältnis zum Antisemitismus haben. Und die man auch als Staatenlose nicht so einfach abschieben kann. Das wäre auch meine Hausaufgabe für alle, die in den letzten Wochen die sofortige Abschiebung von auf deutschen Straßen demonstrierenden Hamas-Anhängern forderten: Findet heraus, wer sie wo aufnimmt, wenn es weder in Gaza noch im Westjordanland einen Flughafen gibt.
Damit sind wir bei dem Teil der Weltpolitik, der in der deutschen Öffentlichkeit und bei keiner Koalition in Berlin bisher wirklich angekommen ist: Warum es mit Waffenlieferungen und Sich-Raushalten auf Dauer nicht getan ist.

Republikanischer Präsidentschaftskandidat und ehemaliger US-Präsident Donald Trump bei seinem Auftritt während einer Wahlkampfveranstaltung.Brandon Bell/Getty Photos/AFP
Wo Trump recht hatte, hatte er recht
Quick jede Regierung der USA hat bisher versucht, die Europäer und ganz besonders die Deutschen zu einem Aufstocken ihrer Verteidigungsausgaben anzuhalten. Am rustikalsten ist dabei Donald Trump aufgetreten, der Angela Merkel eine Rechnung überreichte, was den Eindruck verfestigt hat, das Zwei-Prozent-Ziel der Nato sei eine Artwork Nullsummenspiel: Was die anderen für Rüstung ausgeben, können wir uns sparen.
Da struggle Wladimir Putin mit seiner Ukraine-Invasion wesentlich überzeugender, weil die zeigte, dass die Europäer für ihre eigene Sicherheit aufrüsten sollten und nicht, weil ein skurriler Potentat Geld sparen will. Inzwischen ist zumindest in den Meinungsumfragen und den Medien der Krieg Russlands gegen die Ukraine etwas in den Hintergrund geraten.
Es gab und gibt da ja noch (in der Reihenfolge des Ausbruchs) den Krieg im Ostkongo, in den die Demokratische Republik Kongo, Ruanda, Uganda, die Zentralafrikanische Republik und indirekt, auf kongolesischer Seite, Russland verwickelt sind, den Krieg in Syrien, den Krieg im Sudan, der sich immer stärker auf den Tschad auswirkt, den Krieg zwischen Aserbaidschan und Armenien und jetzt den Krieg im Gazastreifen, der sich langsam in den Libanon, die Westbank, nach Syrien und Jemen ausbreitet.
Alle diese Konflikte haben etwas gemeinsam: So, wie alles, was in Süd- und Mittelamerika geschieht, kurz darauf seine Auswirkungen auf die mexikanisch-texanische Grenze hat, so hat quick alles, was irgendwo in Europa, dem Kaukasus, Arabien und Afrika passiert, ein paar Monate oder Jahre später seine Folgen für das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge.
Es gibt da nur einen Unterschied: In quick allen diesen Kriegen sind die USA irgendwie engagiert, aber sie müssen da nicht unbedingt mäßigend auf die Konfliktparteien einwirken, denn die Flüchtlingsströme, die durch die Kriege ausgelöst werden, erreichen nur selten die USA. Sie erreichen uns. Aber wir sind nicht engagiert und haben deshalb wenig Möglichkeiten, mäßigend zu wirken.
Das ist der Teil, über den beim Streit über das Zwei-Prozent-Ziel der Nato so intestine wie nie geredet wurde: dass mehr Rüstung ein Beitrag zur Begrenzung unerwünschter Einwanderung ist. Nicht weil man, wie das so gerne an Brüsseler Schreibtischen entworfen wird, mit Fregatten auf Schlepper schießen und mit Kampfflugzeugen Boote versenken kann, sondern weil man damit mehr Einfluss auf Krisen und das internationale Krisenmanagement bekommt.
Nirgendwo sieht man das klarer als in der Ukraine: Seitdem Deutschland ukrainische Soldaten ausbildet und Bundeswehrsoldaten nach Polen und ins Baltikum entsendet und zum zweitgrößten Waffenlieferanten der Ukraine in der Welt geworden ist, hat seine Regierung mehr Einfluss auf die amerikanische Regierung, die ukrainische Regierung und die kleineren Nato-Mitglieder im Osten. Jetzt müsste sie den nur noch nutzen.
Deutschland und nicht die USA muss Entscheidungen treffen
Damit schließe ich mich jetzt nicht dem Chor all jener an, die von Anfang an gefordert haben, Waffenlieferungen zu verweigern und sofort Friedensverhandlungen zu beginnen, die keine Konfliktpartei wollte. Es gibt für keinen Konflikt eine unilaterale Exitstrategie ohne die anderen. Wie so etwas endet, sah man im August 2021 in Kabul: Jeder struggle sich selbst der Nächste, es rettete sich, wer konnte, und am Ende brach alles zusammen.
Eine Exitstrategie beginnt im eigenen Land, wo sich sowohl die gesellschaftliche Haltung zu Flüchtlingen als auch zu Waffenlieferungen an die Ukraine dramatisch verändert haben: Eine Mehrheit ist gegen Taurus-Lieferungen und dreht, was Flüchtlinge angeht, Merkels berühmten Spruch jetzt um: „Wir schaffen das nicht, es schafft uns.“
Bisher richtet sich dieser Unwille vor allem gegen Nicht-Ukrainer. Wie schnell die Stimmung kippen kann und im Volksmund Ukrainer von armen Kriegsopfern zu undankbaren, aufdringlichen „Gästen“ werden können, hat man im jüngsten polnischen (und zuvor gegenüber Syriern im türkischen) Wahlkampf gesehen. Die PR-Strategie, „Zeitenwende“, höhere Rüstungsausgaben und Gürtel-enger-schnallen als kurzfristigen Preis für einen Sieg der Ukraine und mehr Sicherheit vor Russland zu vermarkten, erreicht ihre Grenzen.
Jetzt sollte der seinen Gürtel enger schnallende (und potentiell Wagenknecht-, Linke- oder AfD-wählende) Bürger erfahren, warum aus dem Ausnahme- ein Dauerzustand werden wird – und was das nächste Ziel ist, jetzt, da die Ukraine ja offensichtlich nicht „gewinnt“: Mehr deutscher Einfluss in der Welt, weniger Flucht und Vertreibung, ein „kalter Friede“ zwischen Russland und der Ukraine mit (deutschen) Blauhelmen im Donbass und einem ewigen Waffenstillstand ohne Friedensvertrag sowie gigantischer Aufrüstung auf beiden Seiten wie zwischen Nord- und Südkorea?
Es wird Zeit, einige der Slogans dieser Tage mit konkreten Inhalten zu füllen: Bedeutet „die Ukraine darf nicht verlieren“, dass wir nicht nur moderne, sondern modernste Waffen und (was völkerrechtlich authorized wäre) auch Soldaten schicken, damit Herrn Hodges Traum doch noch wahr wird? Oder richten wir uns auf ein koreanisches Szenario ein, mit dem die Steuerzahler in der EU ein riesiges zweites Bosnien als Quasi-Protektorat unterstützen und aufrüsten und die Hoffnung auf einen Regimewechsel in Moskau dauerhaft aufgeben?
Und was bedeutet „unbegrenzte Solidarität mit Israel?“ Freie Hand für eine ethnische Säuberung im Gazastreifen und Annexionen in der Westbank oder Bundeswehrsoldaten an der Grenze zum Libanon, Verhandlungen mit der Hamas und Druck auf Netanjahu, die Ultras in seiner Regierung vor die Tür zu setzen?
Das meiste davon haben wir, die Europäer, bisher an die amerikanische Regierung delegiert. Aber der Krieg Israels gegen die Hamas hat einiges ins Wanken gebracht: Die USA sind jetzt in zwei Kriege verwickelt, die von der Öffentlichkeit ganz unterschiedlich aufgenommen werden. Über die Ukraine-Hilfe sind Republikaner und Demokraten zerstritten, über die Israel-Hilfe nicht. Wenn das im Präsidentschaftswahlkampf auch zu einem Nullsummenspiel gemacht wird, für welches Land werden sich die Kandidaten dann wohl entscheiden?
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